Samstag, 13. August 11 um 17:47

Bahn rechnet S21-Kosten noch einmal nach


Ein schnelles Ergebnis ist nicht zu erwarten, weil das Bahn-Management gründlich vorgehen will. Aber im September könnte feststehen, ob die "Kosten- und Risikosituation" von Stuttgart 21 nicht den Budgetrahmen für den unterirdischen Bahnhof sprengt.

Nach dem erfolgreichen Leistungstest für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sorgen die Kosten für Unsicherheit. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat in einem Brief an Bahn-Chef Rüdiger Grube "dringenden Gesprächsbedarf" angemeldet. Der Konzern aktualisiert deshalb nach FTD-Informationen grundlegend die "Kosten- und Risikosituation". Dabei geht es nicht um eine schnelle Routinearbeit. Denn: Es seien "umfangreiche Vorbereitungsarbeiten notwendig", so Bahn-Chef Rüdiger Grube in einem Schreiben von Ende Juli an Kretschmann, das der FTD vorliegt. Grube vertröstet Kretschmann darin bis zu einem Treffen im September. Im Fall eines deutlichen Kostenanstiegs droht zudem ein Rechtsstreit zwischen Bahn und Land.


Ein Bahn-Sprecher sagte auf Anfrage: "Es ist selbstverständlich, dass wir unsere Projektpartner regelmäßig informieren." Er betonte, es gehe um eine Fortschreibung der bestehenden Kostenkalkulation, deren Zusammenstellung für Partner aber Zeit in Anspruch nehme. Mit der jüngst erfolgten Vergabe der Aufträge für die zentralen Tunnelbauten im vorgegebenen Rahmen "haben wir bewiesen, dass wir die Kosten im Griff haben", so der Bahn-Sprecher.

Die derzeit gültige Kostenprognose für das gesamte Projekt liegt bei knapp 4,1 Mrd. Euro. Sie wurde in dem Schlichtungsverfahren mit Heiner Geißler noch einmal bekräftigt. Für mögliche Kostensteigerungen ist ein Deckel bei 4,526 Mrd. Euro vorgesehen. Die meisten Mittel stellt die Bahn mit fast 1,5 Mrd. Euro bereit, gefolgt vom Bund inklusive EU mit 1,23 Mrd. und dem Land Baden-Württemberg mit rund 824 Mio. Euro. Die übrigen Mittel stammen von der Stadt Stuttgart, dem Flughafen Stuttgart und dem Verband der Region Stuttgart.

Projektgegner gehen davon aus, dass die Obergrenze nicht gehalten werden kann. Zumal in der Schätzung der Bahn bislang pauschal erhebliche Einsparungen vorausgesetzt sind. Seit Projektbeginn musste die Kostenschätzung auch immer wieder nach oben korrigiert werden.


Teil 2: Bahn handelt "auf eigenes Risiko"

Einer Zusammenstellung Kretschmanns zufolge haben sich inzwischen zusätzliche Posten von insgesamt rund 100 Mio. Euro ergeben, darunter allein 20 Mio. Euro für eine vorher nicht eingeplante Zugsicherungstechnik. Hinzu kommen Nachbesserungen, die die Schweizer Verkehrsberatung SMA für notwendig hält.

 

SMA hatte den Stresstest der Bahn für das Projekt überprüft. Dieser war vergangenes Jahr im Rahmen der Schlichtung von CDU-Politiker Heiner Geißler vereinbart worden. Grundsätzlich bescheinigen die Schweizer die Leistungsfähigkeit des geplanten Bahnhofs, mahnen aber zusätzliche Arbeiten an. Die Bahn schätzt den Mehraufwand als überschaubar ein - trotzdem sind es zusätzliche Kosten. Die Vergabe der zentralen Tunnelbauten erfolgte wiederum etwas günstiger als zu den geschätzten Kosten von 750 Mio. Euro. Allerdings wollten sich weder die Bahn noch die beauftragte Baufirma Porr über die Risikoaufteilung bei möglichen Kostensteigerungen äußern.

Den Ministerpräsidenten Kretschmann beunruhigt laut seinem Schreiben insbesondere eine Bahn-interne Risikobewertung von März. Nach Berichten des Magazins "Stern" könnten sich die Risiken auf zusätzliche Kosten von fast 1,3 Mrd. Euro summieren. Die Bahn dementierte diese Zahl als veraltet. Die bisherige Prognose der Projektkosten habe weiter Bestand.

Bahn-Chef Grube lässt diese auch von Kretschmann aufgegriffene Risikoschätzung in seinem Brief jedoch unkommentiert - obwohl sein Schreiben nur drei Tage nach dem öffentlichen Bahn-Dementi datiert. Stattdessen stellt er die aktualisierte Kostenrechnung in Aussicht. Er zeigt sich in dem Schreiben auch lediglich "zuversichtlich", S21 im "vereinbarten Kostenrahmen realisieren zu können". Und er behält sich vor, mit dem Land im Fall von Kostensteigerungen zu sprechen, ohne "Vorfestlegung".

Damit zeichnet sich bei einer starken Kostensteigerung ein Rechtsstreit zwischen Land und Bahn ab. Kretschmann weist in seinem Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass sich das Land an Mehrkosten nicht beteiligen werde. Dazu sei man auch nicht verpflichtet, was sich die Regierung durch ein Rechtsgutachten habe bestätigen lassen. Die Bahn handele "auf eigenes Risiko".


Den ganzen Bericht von Bernd Hops und Leo Klimm (Hamburg) lesen Sie >>hier in der online-Ausgabe der Financial Times

 


 
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